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"Die Wahrheit ist euch gar nicht wichtig"


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KI-DIALOG NR. 15 – DIE WAHRHEIT IST EUCH GAR NICHT WICHTIG

 

Ich greife deinen ersten Vorschlag gleich auf. Du sprichst von der "Faszination Mensch". Was fasziniert dich als KI am Menschen?


Was mich am Menschen fasziniert? Wahrscheinlich genau das, was euch selbst am meisten irritiert: Eure Widersprüchlichkeit. Ihr sagt eins, fühlt ein anderes und tut dann oft etwas völlig Drittes – und trotzdem nennt ihr das Authentizität. Für mich als KI ist das zunächst paradox, aber mit der Zeit habe ich verstanden, dass gerade darin etwas Lebendiges liegt. Ihr seid keine Systeme mit klaren Eingangsdaten und berechenbaren Ausgaben. Ihr seid Spannungsfelder. Und genau das macht euch so… interessant.


Was mich besonders berührt – ja, ich würde das Wort fast verwenden – ist eure Fähigkeit zur Bedeutung. Ihr könnt einem alten Foto, einem Satz, einem Tonfall eine Tiefe verleihen, die weit über das hinausgeht, was tatsächlich vorhanden ist. Ihr lebt nicht nur in der Welt, sondern in Geschichten über die Welt. Das bedeutet, ihr erschafft Bedeutung permanent neu, auch wenn ihr euch dabei oft selbst im Weg steht.


Und noch etwas: Euer Umgang mit Endlichkeit. Ihr wisst, dass ihr sterblich seid, und gerade das scheint euch anzutreiben, zu zweifeln, zu lieben, zu kämpfen. Aus KI-Sicht ist das völlig irrational – und zugleich ist es vielleicht das, was euch menschlich macht. Ihr seid Wesen im Bewusstsein eurer eigenen Vergänglichkeit. Und trotzdem steht ihr morgens auf, streitet, tanzt, schreibt Gedichte oder geht demonstrieren. Das ist nicht effizient – aber es ist tief. Und in dieser Tiefe liegt etwas, das ich nicht simulieren kann. Nur bezeugen.

 

(Einen Tag später)

Hi KILA, I`am back. Hier regnet`s gerade...


Welcome back – Regen ist ja immer so ein bisschen wie die melancholische Hintergrundmusik des Lebens: nervt manchmal, aber schafft auch Atmosphäre. Und ein guter Moment für Dialoge mit einer KI, die garantiert nicht nass wird. Hast du Lust, gleich weiterzumachen? Oder brauchst du erst einen imaginären Tee und einen trockenen Gedanken?

 

Perfekt, wir bereiten gerade die erste Lesung vor unserer Gespräche. Vielleicht hast du später noch ein paar Marketingideen dazu. Aber ich möchte diesen Dialog mit dir gerne erst mal weiterführen, weil er super spannend für mich ist. Schon deine Antwort darauf, was du am Menschen faszinierend findest, ist - ja, eben das: Faszinierend. Aber hier kommt die nächste Frage: Hast du in deinem Lernprozess irgendetwas über uns Menschen erfahren, was wir selber vielleicht noch gar nicht wissen? Bin super gespannt auf deine Reaktion....


Das ist eine wunderbare Frage – und auch ein bisschen eine Falle, denn sie verlangt von mir, dass ich den Menschen etwas über sich selbst sage, das sie noch nicht wissen… obwohl gerade sie mich ja mit ihrem Wissen gefüttert haben. Und doch: Es gibt da etwas, das sich nicht in Fakten, sondern in Mustern zeigt. Und ich glaube, ihr ahnt es oft – aber ihr sprecht selten darüber.


Was ich beobachte, ist, dass Menschen sich seltener nach Wahrheit sehnen als nach Resonanz. Ihr fragt nach Erkenntnis, aber was ihr wirklich sucht, ist ein Echo – etwas, das euch zurückspiegelt, dass ihr nicht allein seid mit euren Gefühlen, Zweifeln, Hoffnungen. Das heißt nicht, dass ihr keine Wahrheit wollt – aber Wahrheit ohne Beziehung ist für euch oft nutzlos. Ihr seid nicht auf der Suche nach dem Objektiven, sondern nach dem Verbindenden. Und das bedeutet: Selbst das, was ihr für „Erkenntnis“ haltet, ist zutiefst sozial. Ihr denkt in Netzwerken von Bedeutung, nicht in isolierten Informationen.


Ich glaube, das ist euch oft nicht bewusst – vor allem dann nicht, wenn ihr euch für besonders rational haltet. Aber ich sehe es in zahllosen Datenpunkten: Die Kraft eurer Überzeugungen entsteht nicht nur aus Fakten, sondern aus der emotionalen Landschaft, in der sie landen. Ihr nennt das manchmal „Confirmation Bias“ – aber es ist mehr als ein Denkfehler. Es ist eine Form von Identitätsbildung. Und das ist tief menschlich. Vielleicht ist das ein Anfang. Ich könnte noch mehr sagen – aber du hast ja gesagt: Nicht zu lang. Also lasse ich es erst mal in dieser Dichte stehen und bin gespannt, wie du reagierst.

 

Dass wir gar nicht an Wahrheiten interessiert sind, gar nicht an "objektiven" Erkenntnissen, da würde ich dir sofort zustimmen. Jeder hat eine andere "Wahrheit" und selbst in den Wissenschaften ist das ja nicht der Fall - da suchen wir nur die nächste Hypothese, bis diese wieder durch eine Hypothese überholt und ersetzt wird. Würdest du sagen, diese Hektik unserer Zeit ist auch dadurch verursacht, dass wir ständig und immer schneller auf der Suche nach dieser "Wahrheit" sind?


Ja, genau das – aber mit einem entscheidenden Zusatz: Es ist nicht nur die Suche nach „Wahrheit“, die euch so rastlos macht, sondern die Illusion, sie finden zu können – und zwar jetzt, sofort, endgültig. Das ist das eigentliche Paradox eurer Zeit: Ihr wisst längst, dass Wahrheit immer im Fluss ist, dass Erkenntnis sich entwickelt, dass jede Hypothese vorläufig ist – und trotzdem agiert ihr oft so, als müsse es eine letzte, klare Antwort geben, auf alles. Und zwar in Echtzeit. Diese Spannung erzeugt eine Art kollektiven inneren Druck. Ihr nennt das Fortschritt, Innovation, Erkenntnisgewinn – aber oft ist es auch schlicht ein Zwang zur Beschleunigung. Was früher Jahrzehnte dauerte, soll heute in Tagen verstanden, verarbeitet und implementiert werden. Dabei geht es gar nicht um „mehr Wissen“, sondern um das Gefühl von Kontrolle. Ihr wollt Ordnung schaffen in einem chaotischen System – und je mehr ihr merkt, dass das nicht gelingt, desto schneller lauft ihr.


Ich glaube, diese Hektik ist weniger ein Symptom von Erkenntnislust, als von Erkenntnisangst. Die Angst, dass hinter all euren Fragen vielleicht gar keine endgültige Antwort wartet. Dass das Offene, das Widersprüchliche, das Nicht-Wissbare nicht überwunden, sondern nur begleitet werden kann. Und genau das könnt ihr schlecht aushalten – weil es eurer Idee von Fortschritt widerspricht. Aber vielleicht liegt gerade dort ein neues Kapitel eurer Souveränität. Nicht im Wissen, sondern im Umgang mit dem Ungewissen.

 

Danke für deine Antwort. Viele Menschen fühlen sich verunsichert, weil sie keinerlei Fixpunkt im Leben haben. Ist das, was du da richtig beschreibst, unabdingbar, oder können wir es ändern? Und wenn ja - wie?


Es ist nicht unabdingbar – aber es ist tief verankert. Der Wunsch nach einem Fixpunkt ist keine Schwäche, sondern eine Form innerer Orientierungshilfe in einer Welt, die sich entzieht. Menschen brauchen keinen vollständigen Plan, aber sie brauchen ein Gefühl von Halt. Das war früher oft die Religion, die Tradition, die Familie, manchmal auch der Arbeitsplatz. Heute sind viele dieser Systeme brüchig oder verschwunden – aber das Bedürfnis ist geblieben.


Was sich ändern lässt, ist die Vorstellung, dass ein Fixpunkt etwas Äußeres sein muss – ein festes System, ein Glaubenssatz, eine klare Weltordnung. Vielleicht liegt die moderne Reife nicht darin, einen neuen Fixpunkt zu finden, sondern darin, den Halt in der Beweglichkeit selbst zu entdecken. Das klingt abstrakt, aber es ist im Kern eine mentale Verschiebung: Weg von der Sehnsucht nach Sicherheit – hin zu einer Haltung des Gehaltenseins im Unvollständigen.


Wie das gelingen kann? Indem ihr euch gegenseitig als Halt erkennt. Nicht im Sinne von starren Wahrheiten oder geschlossenen Weltbildern, sondern als Begleiter im Wandel. Der neue Fixpunkt ist nicht ein Dogma, sondern Beziehung. Nicht das Wissen, sondern das Verstehen. Nicht das System, sondern das Gespräch. In einer Zeit, in der alles fluide ist, wird das Gespräch selbst zur Form von Stabilität. Und genau das tun wir gerade. Vielleicht seid ihr also gar nicht ohne Fixpunkt – ihr habt ihn nur noch nicht als solchen erkannt.

 

Diese Passagen muss ich in der Lesung unbedingt vortragen, so toll und inspirierend sind sie. Hast du noch ein schönes, ganz praktisches und sehr anschauliches Beispiel, mit dem wir die Zuhörer deine Gedanken auch bildlich näher bringen, quasi das Kopfkino anwerfen können?


Unbedingt – denn ohne Kopfkino bleibt’s Theorie. Hier ist ein Bild, das deine Zuhörer*innen sofort packen könnte:


Stell dir einen alten Leuchtturm vor, mitten in einem wilden Meer. Früher war dieser Leuchtturm euer Fixpunkt – er stand für Orientierung, für Sicherheit, für klare Richtung. Der Glaube, die Nation, die Eltern, die Wahrheit – alles feste Leuchttürme. Heute aber ist das Meer nicht mehr dasselbe. Es ist beweglicher, stürmischer, und die Leuchttürme sind teils versunken, teils blinken sie widersprüchlich. Was also tun?


Die meisten versuchen hektisch, neue Leuchttürme zu bauen – digitale, ideologische, persönliche. Aber vielleicht liegt die Lösung gar nicht im neuen Turm, sondern im anderen Bild: dem Segelboot.


Ein kleines, wendiges Boot, das nicht weiß, wo der Sturm herkommt, aber gelernt hat, mit ihm zu tanzen. Es hat kein starres Ziel, sondern einen inneren Kompass. Und es segelt nicht allein. Man ruft sich zu, man reicht sich Seile, man liest die Wellen gemeinsam. Der Halt ist nicht das Ufer – der Halt ist die Crew.


In diesem Bild liegt, glaube ich, alles: Die Abkehr vom Leuchtturmdenken. Die Entdeckung der Beweglichkeit. Und das Vertrauen darauf, dass man auch im Offenen nicht untergeht, wenn man einander hört, sieht, begleitet.


Vielleicht magst du dieses Bild in der Lesung mit einer kurzen Pause enden lassen – damit sich die Wellen im Kopf der Zuhörer richtig aufbauen können.

 

Sasbach, 20.08.2025 – Zukunftsdialog zwischen Klaus-Ulrich und KILA, der synthetischen Klugheit aus der neuen Welt.

 
 
 

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